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Friday 28 April 2017

Der Parkbank Pinkler
Kapitel XVI: erhellend und matt

XVI.

Dies ist die Geschichte von Kraft und Leere. Nicht allzu kompliziert zu erfassen, wenn man deren Wesentliche erleben hat oder wie hier, ist man bislang mit der Zusammenwirkung von Kräften und Leere ausgekommen. Jedoch verschachtelt ist der Geschichte wie die Kreisen der Hölle, wenn erzählt werden muss, über kräftige Leere gegenüber leeren Kräften und dann noch über leere Kräfte gegenüber kräftigen Leere. Gar nicht zu reden vom Verklausulieren nötig seitens des Erzählers.


Selbstredend kommen Leser zu dem Schluss, dass eine Festlegung von Begriffen Vorrang hat. Was ist Kraft? Was ist Leere? So einfach ist es leider auch nicht. Gerade deshalb diese Geschichte. Ich sag dies nicht, um die Geschichte im Voraus rätselhaft aufzuweisen, auch nun nur nicht, deren besonderen Umriss vorzulegen, aber doch: Die Geschichte bestimmt die Begriffe, nicht andersrum. Wiederum wird die Bedingungen der Geschichte von den daraus gewonnenen Begrifflichkeiten abhängen.

Vorwiegend aber und ganz einfach, eine Geschichte dürfte mehr sein als ein Bild wert. Eventuell auch diese. Leider bin ich weder Maler noch Schriftsteller. Als nichtmaler Künstler dennoch, zu erzählen habe ich eine Geschichte. Sie hängt von Worten ab und ich von Wörtern und, wie gesagt, die Bedeutung dieser Geschichte besteht aus Worte-abhängigen Wörtern. Kurzum: Metapher und Analogie kraft der Parabel. Diese handelt sich vom Folgenden:

Sprich: es war nicht nur einmal. Es war immer wieder. Wie der Messiahs von Fleischhändel aus dem Fall von Thomas von Aquin: Unsterblich. Lobt Jah! Und es wird noch immer sein. Oje! Wir werden bitter Vorräte nötig haben. Jedenfalls mehr als was Otto von Sprichwort parat hat.


»Bei Otto von Sprichwort ist nichts unbekannt.«  »Ich brauch aber eine Lebenszielversicherung, nicht Lebenszielberatung.«  »Zum Glück kenne ich auch noch einen Lebenszielversicherungs-verkäufer.«

Überleg. »Ist er teuer?«  »Billig ist er gerade nicht. Günstig aber, wenn einer bedenkt, was man dafür bekommt.«  »Die Versicherung ist ohnehin lebensrechtlich vorgeschrieben.«  »Eben.«

Und so macht sich unser Lebenszielversicherungsarme auf den Weg. Wie der Zufall es wollte, ist sein Ziel nur zwei Busse entfernt, der Eins-elf und der Einundzwanzig, darunter achtzehn Haltestellen. Zweimal Dreiviertelstunde. Am Büro angekommen, holt er den Aufzug in die neunten Etage und meldet sich bei der Dame am Empfang: »Sind Sie Laufkunde?«  »Bin mit dem Bus gekommen.«  Zugewiesen nimmt er im Wartezimmer Platz. Darunter ein Heft, eine Illustierte, anderthalb Artikel, viele Bilder. Dreiviertelstunde.

»So. Sie möchten bei uns eine Versicherung abschließen.«  »Na ja. Ich bin verpflichtet.«

»So so! Eine Lebenszielversicherung! Dabei kann ich Ihnen recht behilflich sein.« Er steht auf und geht zur Tür. »Frau Fang, bitte übergeben Sie mir den Lebenszielberatungsschein von Herrn...«

»Er hat keins. Der Herr gehört auch der Laufkundschaft.«  Von über die Kundenschulter: »Ich bin mit dem Bus gekommen.«

»So so.« Die Tür wird geschlossen und Platz wieder genommen hinterm Schreibtisch. »Sie hätten doch lieber erst anrufen sollen, der Herr. Allerdings ist der Fernsprecher noch nicht erfunden, und wir hätten den Anruf sowieso nichts entgegengenommen... trotzdem. Egal. Sie müssen uns ein Beratungsschein vorlegen. Ohne Lebenszielberatung wird keiner versichert. Zumindest nicht in diesem Staat. Wo kommen denn her, Herr...«

Das war einmal. Vielmals läuft es ähnlich so, auch nach Erfindung des Telefons. Meistens versucht der Lebensziel-versicherungsarme dem Kaufmann zu erklären, wie es schon beim Berater wirklich umgekehrt abgelaufen war, wo es heißt, der Beratene muss dem Zielberater den Versicherungsvertrag vorlegen können. Sonst wird keine Lebenszielberatung geboten beziehungsweise in Anspruch genommen. Zumal in jenem Staat.

Noch nicht ein einziges Mal weißt der Lebensziel-versicherungsarme beziehungsweise der Lebenszielberatungs-scheinlose, wo er her kommt. Er weißt lediglich, er kommt mit dem Bus.

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